Therapie mit AAT

Fachgesellschaften empfehlen bei AATM eine Therapie mit humanem Alpha‑1-Antitrypsin, um die fortschreitende Zerstörung des Lungengewebes und die Progression des Lungenemphysems zu verlangsamen.[1,2] 

Wie auch bei einigen anderen erblich bedingten Protein-Mangelerkrankungen, kann bei AATM-Patienten das fehlende Protein als therapeutische Maßnahme substituiert werden.[3,4] Bei der Therapie mit humanem AAT handelt es sich um die einzige, nachweislich wirksame und spezifische Behandlungsoption zur Verlangsamung des Lungengewebeabbaus.[5,6,7]

 

Langfristiger Erhalt des Lungengewebes

Ziel der Therapie mit AAT ist es, die Zerstörung des Lungengewebes und damit auch die Progression des Lungenemphysems zu verlangsamen, um den Patienten so lange wie möglich eine gute Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zu erhalten. Außerdem sollen dadurch auch die frühzeitige Notwendigkeit einer Sauerstoffzufuhr oder einer Lungentransplantation gesenkt sowie die Lebenserwartung erhöht werden. In der Regel wird die Therapie mit AAT gut toleriert.[4,8,9] 

Empfehlung internationaler Fachgesellschaften

Eine Therapie mit AAT wird von nationalen wie internationalen Fachgesellschaften empfohlen, etwa von den ATS/ERS-Leitlinien bei nachgewiesenem AATM.[2,10] Die Deutsche Atemwegsliga und die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) empfehlen eine Behandlung mit wöchentlicher intravenöser Applikation von AAT – Dosis 60 mg/kg Körpergewicht – bei rauchfreien Patienten mit:[1,11]

  • homozygotem oder komplex-heterozygotem, schwerem AATM mit einem Serumspiegel unter 50 mg/dl (11 μmol/l) sowie einer AATM-assoziierten COPD 
  • und Lungenfunktionseinschränkung mit einem Tiffeneau-Wert von < 0,7 und einem postbronchodilatatorischen FEV1‑Wert von ≤ 65 % Soll (Messung in einem infektfreien Intervall unter optimierter medikamentöser Dauertherapie) 
  • oder bei ausgeprägtem Abfall des FEV1 von über 50 ml/Jahr und einem postbronchodilatatorischen FEV1‑Wert von > 65 % Soll (um Messungenauigkeiten auszuschließen, sind wiederholte Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten nötig).

Die Emphysem-Progression ist von Patient zu Patient unterschiedlich und die Empfehlung einer AAT-Therapie ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben dem AAT-Blutserumwert müssen auch die Lungenfunktion und der jährliche Abfall der FEV1 berücksichtigt werden. So spricht die COPD-Leitlinie bei schwerer Funktionseinschränkung (FEV1 < 30 % des Sollwertes) keine generelle Empfehlung für die Therapie mit AAT aus – aufgrund von möglichen Komorbiditäten.[1,11] Die US-amerikanische Alpha‑1 Foundation hingegen schlägt auch bei niedrigeren FEV1-Werten als 30 % eine AAT-Therapie vor, und empfiehlt bei höheren Werten als 65 %, den möglichen Nutzen mit den Patienten zu besprechen.[12]

Anhebung des Serumspiegels

Durch die intravenöse Zufuhr von humanem AAT kann die AAT-Konzentration im Serum und im epithelialen Flüssigkeitsfilm der Alveolen für mehrere Tage über die protektive Schwelle von 50mg/dl (11 μmol/l) angehoben werden.[13]

AAT diffundiert aus dem Blut in die Gewebe und in den epithelialen Flüssigkeitsfilm der Lunge. Auf diese Weise kann eine suffiziente Therapie einen bestehenden Mangel an AAT im Blut und in den Lungen beseitigen.[14] 

Referenzen

[1] Greulich T, Fähndrich S, Clarenbach C, et al. Alpha‑1-Antitrypsin-Mangel (AATM) – Ein Expertenstatement. Positionspapier der DGP. Pneumologie. 2020;74(07):436‑442. 

[2] ATS/ERS, American Thoracic Society/European Respiratory Society Statement: Standards for the diagnosis and management of individuals with alpha‑1 antitrypsin deficiency. Am J Respir Crit Care Med. 2003;168:818‑900.

[3] Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease. 2020 Gold Report. 2020 Global Strategy for Prevention, Diagnosis and Management of COPD. (abgerufen am 21.02.2022) 

[4] Wewers MD, Crystal RG. Alpha‑1 antitrypsin augmentation therapy. COPD. 2013;10 Suppl 1:64‑67.

[5] Chapman KR, Burdon JGW, Piitulainen E, et al. Intravenous augmentation treatment and lung density in severe α1 antitrypsin deficiency (RAPID): A randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet. 2015;386(9991):360‑8.

[6] McElvaney NG, Burdon J, Holmes M, et al. Long-term efficacy and safety of α1 proteinase inhibitor treatment for emphysema caused by severe α1 antitrypsin deficiency: an open-label extension trial (RAPID-OLE). Lancet Respir Med. 2017;5(1):51‑60.

[7] Strnad P, McElvaney NG, Lomas DA. Alpha1-Antitrypsin Deficiency. N Engl J Med 2020;382:1443-55.

[8] Köhnlein T, Schmidt-Scherzer K, Greulich T, et al. Expertenstellungnahme zur Substitutionstherapie bei Patienten mit Alpha-1 Antitrypsin-Mangel. Pneumologie. 2014;68(07):492‑95.

[9] Janciauskiene S, Welte T. Augmentation therapy with alpha1-antitrypsin: novel perspectives. Cardiovasc Hematol Disord Drug Targets. 2013;13:90‑98.

[10] Bals R, Köhnlein T. Alpha‑1-Antitrypsin-Mangel: Pathophysiologie, Diagnose und Therapie; 10 Tabellen. Stuttgart, New York: Thieme; 2010.

[11] Vogelmeier C, Buhl R, Criée C, et al. Leitlinie der Deutschen Atemwegsliga und der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie. 2007;61:e1‑e40. 

[12] Sandhaus RA, Turino G, Brantly ML, et al. The diagnosis and management of alpha‑1 antitrypsin deficiency in the adult. Chronic Obstr Pulm Dis (Miami). 2016;3:668‑682.

[13] Stoller JK, Aboussouan LS. A review of α1‑antitrypsin deficiency. Am J Respir Crit Care Med. 2012;185:246‑59. 

[14] Wewers MD, Casolaro MA, Sellers SE, et al. Replacement therapy for alpha‑1-antitrypsin deficiency associated with emphysema. N Engl J Med. 1987;316:1055‑62.